Pili torti Q84.12

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 05.05.2025

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Synonym(e)

Beare-Syndrom; Galewsky disease; Gedrehte Haare; Torsionshaare; Trichokinese; Trichokinesis; Trichotortosis; Twisted hair

Erstbeschreiber/Historie

Schulz, 1900; Ronchese, 1932

Definition

Pili torti sind keine eigenständige Krankheit mit einem einzigen Gendefekt, sondern ein Symptom, das bei verschiedenen genetischen Erkrankungen auftreten kann. Die genetischen Ursachen sind daher syndromabhängig, mit BCS1L, ATP7A und SPINK5 als häufig betroffenen Genen.  Weiterhin treten auch noch erworbene Formen dieser Haarfehlbildung auf. Es finden sich meist abgeflachte Haare, die sich mit Winkeln von 90 °, 180 ° oder 360 ° um ihre Längsachse drehen. Die Erstbeobachtung erfolgt meist bereits im Kindesalter.  

Ätiopathogenese

Unbekannt; im Rahmen von ektodermalen Syndromen auftretend.

Manifestation

Vor allem bei Mädchen mit feinem hellem Haar auftretend, 2. bis 5. Lebensjahr. Eine postpubertäre Variante, bei der mentale Retardierungen zugleich auftreten, wird als Beare-Syndrom beschrieben. 

Lokalisation

In der Kindheit am gesamten Kopfhaar, später vor allem in der Okzipital- und Schläfengegend.

Klinik

Umschriebene Herde mit eigenartig schimmernden (durch unterschiedliche Reflexionen des Lichts in den gedrehten Arealen), gedrehten, trockenen, spröden, dünnen Haaren, die selten länger als 4-6 cm werden.  Aspekt der umschriebenen Hypotrichose. Die Augenbrauen können mitbefallen sein. Häufig ist eine begleitende Keratosis follicularis vorhanden.Pili torti tritt bei mehreren genetischen Syndromen auf, wobei verschiedene Gene beteiligt sein können. Einige bekannte genetische Ursachen sind:

  • Björnstad-Syndrom (BCS1L-Gen)Vererbung: autosomal-rezessiv: Kombination aus Pili torti und sensorineuraler Schwerhörigkeit.
  • Menkes-Syndrom (ATP7A-Gen); Vererbung: X-chromosomal-rezessiv; Kupferstoffwechselstörung mit neurologischen Symptomen und charakteristischen Haarveränderungen (darunter Pili torti).
  • Crandall-Syndrom: Kombination aus Pili torti, Taubheit und Hypogonadismus. Der genaue Gendefekt ist nicht eindeutig geklärt, aber vermutlich genetisch bedingt.
  • Netherton-Syndrom (Gen: SPINK5);Vererbung: autosomal-rezessiv. Hier treten oft Trichorrhexis invaginata auf, aber gelegentlich auch Pili torti.
  • Auch in Kombination mit Steatocystoma multiplex auftretend.

Diagnose

Mikroskopisch: Drehung der Haare um 90 ° oder 180 ° um ihre Längsachse im Abstand von 2-10 mm; bandartige Abplattung der Haare.

Therapie

Eine Kausaltherapie ist nicht bekannt. Weitgehende Rückbildung bis zum völligen Verschwinden der Haarfehlbildung nach der Pubertät ist möglich.

Hinweis(e)

Bei den meisten Menschen kommen vereinzelte Haardrehungen vor, verstärkt als Folge haarkosmetischer Eingriffe. Physiologisch sind sie bei Achsel- und Genitalhaaren.

Fallbericht(e)

Kasutik (Davis CT et al. 2023):

Eine 25-jährige Frau klagte über trockene, glanzlose, kurze, spärliche Haare auf der Kopfhaut.Sie stammt aus einer blutsverwandten Ehe und hatte von Geburt an normales Haar, das allmählich ausfiel und sich seit ihrer Kindheit in kurze, spröde, trockene, glanzlose und schüttere Haare auf der Kopfhaut verwandelte. Keine neurologischen Beschwerden, keine Schwerhörigkeit, kein intellektuelles Defizit oder andere bekannte Komorbiditäten. Die Pat. hatte eine altersgemäße psychomotorische Entwicklung und befand sich in keiner Therapie.

Bei der Untersuchung hatte sie kurze, dünne, spärliche Haare auf der Kopfhaut, keine Körperbehaarung und keine Wimpern, aber spärliche Augenbrauenhaare. Ihre Mundhöhle, Zähne, Nägel und Schleimhäute waren normal und sie schwitzte normal. Sie wies keine weiteren signifikanten Hautveränderungen auf.

Die Dermoskopie ihrer Kopfhaut zeigte dünne, kurze, weiße und schwarze zerzauste und zusammengerollte Haare auf einem Hintergrund normaler ekkriner Öffnungen und fleckiger Hyperpigmentierung. Jede einzelne Haarsträhne zeigte unter dem Lichtmikroskop eine Abflachung mit einer 180-Grad-Drehung. I

Labor:o.B.

Die Audiometrie war normal.  Eine Kopfhautbiopsie zeigte eine unauffällige Epidermis mit subepithelialen Talgdrüsen und gelegentlichen Haarfollikeln mit verzerrter Anatomie ohne Entzündung.

Literatur
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  1. Beare JM (1952) Congenital pilar defect showing features of pili tori. Br J Dermatol 64:366-372.
  2. Davis CT et al. (2023) Isolated Pili Torti: A Rare Case Revisited. Indian J Dermatol. 2023 Jan-Feb;68(1):124.

  3. Dishop MK et al. (2009) Pathologic changes of skin and hair in ankyloblepharon-ectodermal defects-cleft lip/palate (AEC) syndrome. Am J Med Genet A.149A:1935-1941
  4. Pietrzak A et al. (2015) Steatocystoma multiplex with hair shaft abnormalities. J Dermatol doi: 10.1111/1346-8138.12837
  5. Ronchese F (1932) Twisted hairs (pili torti), Arch Derm Syph 26: 98-108
  6. Srinivas SM et al.(2013) Nethertonsyndrome with pili torti. Int J Trichology 5:225-226

 

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